Internationale Zusammenarbeit für Entwicklung – neue Aspekte

Donnerstag, 24. Juni 2010
Unter dem Vorsitz von Ferenc Glatz wurde der Rat für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung einberufen. Bei diesem Anlass wurde der neue Staatssekretär János Hóvári, der für die Arbeit des Gremiums zuständig ist, von Ferenc Glatz den Beiratsmitgliedern vorgestellt. Er betonte, dass er es für wichtig erachtet, dass in der heutigen Welt der Globalisierung, in der Zeit des verstärkten globalen Wettbewerbs innerhalb der staatlichen Verwaltung einer kleinen Nation fachbegründeten Kenntnissen eine prioritäre Rolle zugeordnet werden sollen. Als junger Mann galt Hóvári in seinem Institut als der hervorragendste Nahost-Experte, dann nach 1992 wurde er ebenfalls in diplomatischen Kreisen zum erstrangigen Fachexperten der Region. Dies gilt als ein gutes Zeichen – ein Zeichen, das der Parteipolitik allgemein als Vorbild dienen sollte.

„Als Historiker betrachte ich die im Verwaltungssystem vorherrschende Tendenz der vergangenen 21 Jahre als verfehlt demgemäß beim Abbau der staatlichen Verwaltung sowohl im Außenministerium als auch bei den Fachverwaltungen – ab 1989 – das Rasenmäherprinzip angewandt und die Zahl der Außenstellen stark reduziert wurden. Bereits 1989, als ich für ein Jahr in der staatlichen Verwaltung tätig war, habe ich dies beanstandet. Mein Argument lautete schon damals und lautet auch heute noch wie folgt: Die Präsens einer kleinen Nation in der Welt, sowohl im außenwirtschaftlichen und -politischen als auch im kulturellen Bereich stellt einen Gemeinnutz dar – das ist es, was das Bild über uns gestaltet. Unsere Institutionen im Ausland vermitteln die Existenz unserer Kultur, sowohl in der euro-atlantischen Region, in der südlichen Hemisphäre oder in den fernöstlichen Teilen der Welt. Dies gilt für unsere Kulturinstitute, Wirtschafts- bzw. Handelsausstellen oder gar die nicht-staatlichen Tourismusvertretungen. Dies ist der beste, effizienteste Ausdruck des sog. Landesimages. Mein Argument lautet im Weiteren: Kulturinstitute oder Außenstellen für Wirtschaft bzw. Entwicklung können nicht entsprechend den gleichen Leitlinien ausgebaut werden wie diplomatische Repräsentanzen. Es nimmt ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch bis eine organische Zusammenarbeit mit den Intellektuellen, Wirtschafts- und individuellen Akteuren ausgebaut werden kann. Mein weiteres Argument lautet: Es kann auf Grund der historischen Erfahrungen nachgewiesen werden wie rentable die Präsens solcher „ungarischen” Institutionen und Kleingruppen für das Auftreten der ungarischen Privatwirtschaftsakteure, der Einzelunternehmer auf dem Weltmarkt sind.
Die internationale Aktivität der Republik Ungarn im Bereich Entwicklung muss verstärkt werden. Auch dann, wenn dies in den Augen mancher Bürger als ein Luxus erscheint. Ein bescheidener Staatshaushalt und eine kleinnationale Kultur muss bei der Gestaltung seiner bzw. ihrer weltpolitischen Stellung im Bereich Entwicklung – meiner Meinung nach – drei Aspekte harmonisieren und die Präferenzen von Zeit zur Zeit neu definieren bzw. anpassen. Diese sind die Folgenden: allgemeiner humanitärer Aspekt, staatswirtschaftlicher und nationaler Aspekt.
Der Erste ist der allgemeine weltpolitische – humanitäre – Aspekt. (Hierzu gehören Armut, Hungersnot, Trinkwassermangel, Kampf gegen Volkskrankheiten und der ökologische Aspekt.) Hält man diesen Aspekt vor Augen, so mag unsere Anwesenheit in nahezu allen Teilen der Welt erwünscht sein, sowohl in Afghanistan, in Vietnam oder auf dem Balkan. (Wo wir auch gegenwärtig anwesend sind.)
Der Zweite Aspekt ist der Aspekt des staatswirtschaftlichen Interesses. (Hierzu gehört das regelmäßige Monitoring der Zielbereiche, die uns die Marktforschung präsentieren. Wir müssen unsere Präsens in den Regionen verstärken, wo die in Ungarn produzierten Industriegüter, Lebensmittel  oder das Know-How einen Aufnahmemarkt finden können. Unsere Präsens in diesen Regionen, egal in welchen Bereichen, ist wichtig. Gleichwohl, ob es sich um soziale, karitative, das Gesundheitswesen betreffende usw. Tätigkeit handelt.) Auf jeden Fall wäre aber hier eine umsichtige, geplante Fachexpertentätigkeit erwünscht. Allerdings ist dies, soweit ich informiert bin, woran es mangelt. Die Balkanregion kann mit Sicherheit hier erwähnt werden. (Das im Rahmen des Sozialforschungszentrums der UAW laufende und von mir geleitete Balkanforschungsprojekt hat im Laufe der südöstlichen Erweiterung der Europäischen Union, seit 2007 konsequent die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten gelenkt, die sich uns auf den Märkten der Balkanländer öffnen. Wir können nicht laut genug betonen wie sehr es an einer planmäßigen staatlichen Entwicklungspolitik in Richtung der Balkanregion fehlt. Trotz der Tatsache, dass für die Republik Ungarn gerade Bosnien-Herzegowina, Serbien, Moldau zu den Entwicklungszielgebieten zählen.)
Der dritte Aspekt ist der nationalpolitische Aspekt. (Die Verstärkung unserer Präsens in den Regionen, wo die Erhaltung der ungarischen Minderheit mit den bereitstehenden Mitteln für Entwicklung gefördert werden kann.) Dieser Aspekt soll in der gegenwärtigen Situation preferiert werden. Nicht wegen dem Programm der jetzigen Regierungskoalition, sondern seit 2004 bzw. seit 2007. Aus der Sicht der ungarischen Zielsetzungen für Entwicklung sind hierbei drei Staaten – die traditionellen Zielgebiete der ungarischen Entwicklung – relevant. In diesen drei Staaten können die Intellektuellen vor Ort darauf aufmerksam gemacht werden, dass im Zeitalter der europäischen Integration und der Globalisierung die gemeinsamen Interessen stärker präsent sind als jemals zuvor. Die ersten zwei Zielgebiete sind: Bosnien-Herzegowina und Serbien – wo unsere auf die Entwicklung bezogene Präsens für das Ungarntum Sympathien erwecken kann –, hier können die Politiker der Balkanstaaten, die der EU beitreten wollen, auf das Folgende aufmerksam gemacht werden: Ungarn kann ihnen bei der Vorbereitung auf den EU-Bietritt helfen und sie können erkennen, dass der Weg in die Europäische Union durch Ungarn führt. Die dritte Zielregion: Moldau. Die nationalpolitischen Interessen Rumäniens mit Bezug auf Moldau gestalten sich ähnlich wie die Interessen Ungarns in Rumänien. Hierauf verweist die Loyalität Rumäniens in Verbindung mit der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft.
Alle drei Aspekte erfordern aber die Harmonisierung der Fachpolitiken innerhalb der staatlichen Entwicklungspolitik. Somit bedarf es einer interministerialen politischen Harmonisierung. Das konnte weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart erreicht werden. Letztendlich war es zuvor der Parteistaat, der fähig war zu einem bestimmten Maß eine interministeriale, harmonisierende Funktion auszubauen. Doch davon – also von der Einparteiherrschaft und ihrer Erhebung über die Demokratie – wollen wir nichts hören. Die Gestaltung dieser interministerialen Harmonisierungsrolle wird die neue Regierung vor eine schwierige Aufgabe stellen. Europaweit gilt dies als einer der bedeutendsten Problemfelder der staatlichen Verwaltung. Aus diesem Grund wird in allen europäischen Staaten gesagt, dass die Auslandsaktivität des Staates von einer Zersplitterung seiner Potentiale kennzeichnet wird, es fehlt an einer Harmonisierung der Zielsetzungen der einzelnen Fachpolitiken – also der Fachverwaltungen. Vornehmlich wird es das Außenministerium sein, das die Aufgaben hinsichtlich der Harmonisierung der Entwicklungspolitik der verschiedenen Fachverwaltungen bei der Außenpolitik des Staates übernehmen wird.
Schließlich besteht ebenfalls innerhalb der Entwicklungspolitik der Europäischen Union die Forderung nach einer Zusammenarbeit zwischen den Zivilakteuren und den Regierungsinstanzen. Eine der Grundfragen der politischen Kultur der kommenden zehn Jahre lautet: Ob wohl die Politik einsehen wird, dass die Zivilakteure – nicht zuletzt die Wissenschaft und die Wirtschaftakteure – klug zu der Festlegung dieser Zielsetzungen herbeigezogen werden können. Die EU setzt sich für die Errichtung einer bottom-up – also von unten aufgebauten – politischen Kultur ein; die Verwaltungen der Nationalstaaten hingegen setzen sich diesem Bestreben entgegen oder verstehen diese nicht. Hierbei handelt es sich um das Aufeinandertreffen von verschiedenen Benehmenskulturen – zivile, wissenschaftliche, Verwaltungsbezogenen Verhaltensformen – und es ist nicht einfach hierfür neue Formen von politischen Foren zu schaffen. Die „Europäisierung” der ungarischen Politik hat begonnen; mit dem Einströmen der jungen Generation wird hoffentlich dieses neue politische Denken, dieser neue Ansatz verstärkt präsent sein.”