„Wir arbeiten nicht für die Regierung, auch nicht für die Opposition, wir arbeit

Samstag, 21. Februar 2009

Im Rahmen einer Pressenkonferenz präsentierte der mit Einbeziehung von Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft gegründete Reformbund seine Vorschläge zur Linderung der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Ungarn. Das Programm des Reformbundes wurde von drei Arbeitsgruppen unter der Leitung von den Professoren László Békesi, Attila Chikán sowie von Péter Oszkó, Präsident und Generaldirektor von Deloitte AG, geleitet. An der Diskussion der Vorschläge nahmen die ehemaligen Finanz- und Wirtschaftsminister der ungarischen Regierungen vor 2002 teil, sowie die zu dieser Zeit amtierenden Präsidenten der Ungarischen Nationalbank. Die vorgelegten Vorschläge wurden von den Geschäftsträgern und Mitgliedern des Reformbundes, unter ihnen den gegenwärtigen und früheren Präsidenten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften angenommen.

Im Rahmen der Pressekonferenz des Reformbundes sprach Ferenc Glatz über das Folgende:

„Wir müssen über die sozialen und politischen Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Maßnahmen, vor allem in Verbindung mit den Ausgaben des Staatshaushaltes, sprechen. Und ebenfalls über die Institution und Zielsetzungen des Reformbundes.
Die Teilnehmer der ersten Sitzung des Reformbundes waren sich einig, dass die Reihe der zu unterbreitenden Vorschläge mit der Ausarbeitung eines wirtschaftspolitischen Pakets begonnen werden soll. Es waren sich ebenfalls alle einig, dass die Grundthese dieses wirtschaftspolitischen Pakets aussagen soll, dass ohne die Senkung der Staatshaushaltsausgaben, die Gefahr eines Staatskonkurses nicht abgewendet werden kann. Die Studien des wirtschaftspolitischen Arbeitskomitees liegen uns vor. Die Arbeitsgruppe wurde von László Békesi, Attila Chikán, Péter Oszkó und Mária Palóc geleitet. Alle der uns vorliegenden Studien vertraten den Standpunkt, dass das wirtschaftspolitische Paket als Erstes die drastische Senkung der Ausgaben erforderlich mache. Das geschäftsführende Gremium des Reformbundes lud zur Diskussion der Vorschläge – neben den Gründern – alle in den Jahren nach 1990 amtierenden Präsidenten der Ungarischen Nationalbank und des Finanzministeriums ein, wobei die meisten von ihnen der Einladung folgten. (Von den früheren Präsidenten der Ungarischen Nationalbank waren Ferenc Bartha, György Surányi, Zsigmond Járai, von den früheren Finanzministern Mihály Kupa, Béla Kádár anwesend.) Und selbst-verständlich László Békesi, Attila Chikán, die unter anderem die Fachdokumente des Reformbundes vorlegten.)
Der Reformbund widmete den sozialen Auswirkungen der vorgeschlagenen Wandlungen umfassende Aufmerksamkeit, darunter der Umstrukturierung des Selbstverwaltungs-systems und den sozialen-ethischen Aspekten in Verbindung mit der allgemeinen Berechtigung zu Sozialleistungen. Dennoch kamen wir zu der Vereinigung uns in den ersten drei Monaten dem wirtschaftpolitischen Maßnahmenpaket zuzuwenden, und erst anschließend die einzelnen Fachpolitiken einer näheren Analyse unterzuziehen, also uns ein klares Bild über die gegenwärtige Situation mit Hinsicht auf Zugänglichkeit und Erreichbarkeit (d.h. Verkehr, Informatik), das Sozial- (d.h. Sozialhilfen, allgemeine Berechtigungen zu Sozialleistungen), das Bildungs-, das Rechts-, Gesundheitswesen zu machen. Dies bedeutet unter anderem die Untersuchung der Verarmung in diesen Bereichen und zugleich der übermäßigen Verschwendung von Finanzmitteln.
Wenn die Presse oder die Gesellschaft den Reformbund als ein Team betrachten sollte, das aus Ökonom-Technokraten besteht, die sich gegenüber der sozialen Fragen und Aspekten gleichgültig zeigen, so entstünde ein wahrlich falsches Bild. Dies würde bedeuten, dass dieses Teams letztendlich das eigene, vorgesetzte Ziel aus den Augen verliert, nämlich das Bestreben das Schicksal der Menschen – und ich möchte noch hinzufügen, der natürlichen Umgebung – zum Besseren zu wenden. Und doch kann dieses vorgesetzte Ziel nicht von heute auf morgen bewerkstelligt werden; die Vorbereitung von umsichtig fundierten Dokumenten braucht Zeit – und der Reformbund wird die Zeit definitiv hierfür nutzen. Viele von uns bangen selbstverständlich um die Empfänger der Sozialleistungen, die ärmsten gesellschaftlichen Schichten, aber die Angst gilt auch den am meisten benachteiligten kleinen Ortschaften, wenn unsere Ökonome über die Kürzung der Mittelzuweisungen für Selbstverwaltungen sprechen. Diese Angst ist umso verständlicher, wenn man bedenkt, dass in den Medien immer wieder vorlaute Deklarationen von Professoren erscheinen – die selten von eigenen Zahlenanalysen und Berechnungen gestützt sind – über die Budgets der Selbstverwaltungen, aber vor allem über die eindeutige Verminderung ihrer Zahl. Sie sagen nichts anderes, als worüber wir bereits seit 2005 sprechen. Wir hingegen sind bestrebt eine übergreifende Reform des Selbstverwaltungssystems vorzuschlagen. Nicht einfach, dass die Tausend kleinsten Dörfer keine Selbstverwaltungen haben sollen; wir wollen überprüfen, ob ein Selbstverwaltungssystem mit niedrigeren Kosten betrieben werden kann als es heute der Fall ist, ob die Parallelgleise in der Verwaltung abgeschafft, die überflüssigen Administrationsverfahren, die ein Anhängsel der Bürokratie sind, vereinfacht werden können. Anstelle von bestimmten Arten der vom Bürotisch erledigten Aufgaben sollen Arbeitsplätze geschaffen werden, die dazu beitragen tatsächliche Umwelt bezogene und soziale Aufgaben zu entrichten. So soll die Zahl der sog. „Grünarbeiter“, der Forst- und Wiesenhüter, der Instandhalter der Lebenswelt der Gewässer, der Sozial- und Versorgungsarbeiter, der Dorfbeauftragte angehoben werden. Hierbei lautet die zentrale Frage: Es kann so nicht weitergehen, dass die Zuweisung der Aufgaben und der Finanzmittel von einander getrennt sind. Die Aufgaben sind den Selbstverwaltungen, Ortschaften, Komitaten unterstellt (von der Naturpflege bis zur Aufrechterhaltung der Schulen, der Gesundheitsdienstleistungen), die Mittel hingegen unterstehen den Kleinregionen und den Regionen. Zu all dieser Zweifachheit in der Verwaltung kommt die Zweifachheit der Politik: in den Selbstverwaltungen ist die Opposition, in den Regionen die Regierung stärker vertreten. (Die gesellschaftliche Legitimität der Letzteren ist allerdings nur schwach, da sie sich nicht auf gewählte Selbstverwaltungen stützen können.) Somit werden also die Finanzierung, die Demokratie und Zielgerichtetheit des Systems einer Analyse unterzogen, unserer Hoffnung nach während des nächsten Halbjahres.
Wir müssen ebenso über das Verhältnis zwischen dem Reformbund und der jeweiligen Politik sprechen. Dies ist umso wichtiger, weil wir unseren Plänen nach lediglich beabsichtigen bis 2013, biszur Ausarbeitung des nächsten Siebenjahresplanes des EU-Haushaltes beisammen zu bleiben. Wir arbeiten nämlich nicht für die Regierung, auch nicht für die Opposition; wir arbeiten für das Land. Uns interessiert es nicht, was die Regierung sagt; wir sagen, was unserer Meinung nach gesagt werden muss. Und uns interessiert nicht, worüber die Opposition denkt, dass es zielstrebig wäre zu sagen. Gestern wurde auch in unserem Kreise die Meinung verlautet, dass es unter dem Reformbund und der Regierung eine Art der „Arbeitsteilung“ bestünde: wir schlagen drastische Kürzungen vor, worauf die Regierung dann die Rolle des „guten Kerls“ übernehmend letztendlich ein kleineres Stück von den zu kürzenden Leistungen abhackt. Wobei sie mit den Fingern auf uns zeigt und sagt, ja wir machen doch das, was die Fachexperten vorschlagen, allerdings halten wir die Interessen der Menschen vor den Augen. Andere wiederum sagen, dass wir mit der gleichen politischen Taktik den Weg für eine der Opposition nahe stehende Regierung ebnen. Dennoch sind sich alle bewusst, dass die Verminderung der Ausgaben unumgänglich ist. Aber in diesem Fall würde die Opposition, die die Regierung übernimmt und gerade das Ruder anpackt, behaupten: wir wollten ja das Ausmaß der Einschränkungen weit mehr in Grenzen halten, aber die Fachexperten sagten uns, dass man nur um den Preis einer so markanten Verminderung die Regierung übernehmen könne
Von der politischen Kultur ausgehend sehe ich persönlich in etwas anderem den Beitrag des Reformbundes. Endlich können die bei den politischen Wahlen üblichen Wirtschaft bezogenen Versprechen und unbegründeten Geldverteilungspraktiken ausgeschaltet werden. Ich möchte erreichen, dass die im kommenden Jahr stattfindenden Wahlen endlich nicht im Zeichen der wirtschaftlichen Versprechungen abgehalten werden. Wie es bei den vergangenen Wahlen jedes Mal der Fall war. Zum Teil ließen diese Versprechen die Menschen in dem Glauben, dass sozusagen alles mit den Mitteln der Politik geregelt werden kann, und es waren zum Teil ebenfalls diese Versprechen sowie ihre partielle Einhaltung, die den Staatshaushalt überlasteten. Wir werden zumindest hiermit dem Land dienen. Weil, und ich wiederhole, uns weder die Regierung, noch die Opposition interessiert. (Dennoch liegt es im Interesse jeden Bürgers, dass die richtige Entscheidung gefällt wird, d.h. dass das Land über eine gute Regierung und eine gute Opposition verfügt.) Doch arbeiten wir nicht für die Regierung, auch nicht für die Opposition, sondern für das Land.“