Europäische Ungarnpolitik

Dienstag, 8. Juli 2008
EUROPÄISCHE UNGARNPOLITIK
Erklärung
 
Nach 2007 kann bei der wissenschaftsorientierten strategischen Planung die Kooperation mit den Nachbarstaaten nicht unbeachtet bleiben, und es können ebenfalls die Standpunkte der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen Gesellschaften nicht außer Acht gelassen werden. Auch aus diesem Grund muss bei der Erstellung der neuen Programme in den Bereichen Gesellschaft und Naturbewirtschaftung mit der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen politischen und intellektuellen Elite gerechnet werden.
Die ungarischen politischen Parteien und Organisationen der Nachbarländer wenden sich nach 2007 der Erweiterung ihrer Programme zu. Sie bereiten sich auf die Harmonisierung mit den von der EU gewährleisteten politischen Möglichkeiten und Rechtsnormen vor, und sie wünschen sich an die neuen regionalen politischen Programme anzugliedern. Sie überprüfen aufs Neue die Gestaltung und Zielsetzungen ihrer Programme.
Über diese neue historische Situation führte im Laufe des vergangenen Jahres Ferenc Glatz, Leiter der Strategischen Forschungen der UAW, Konsultationen mit Pál Csáky, dem Präsidenten der Ungarischen Koalitionspartei in der Slowakei, Béla Markó, dem Präsidenten des Demokratischen Verbandes der Ungarn in Rumänien, und mit István Pásztor, dem Präsidenten des Ungarischen Verbandes in der Wojwodina. Sie vereinbarten, dass sie sich am 8. Juli dieses Jahres in Budapest in einem engen Kreis und in Anwesenheit von Fachexperten zu einem gemeinsamen freundschaftlichen Meinungsaustausch treffen werden.
Die im engen Rahmen geführte Konferenz fand im Gebäude des Sozialforschungs-zentrums der UAW statt. Dem Einführungsvortrag des Gastgebers folgend hielten die Präsidenten der drei Organisationen ihre Vorträge, hiernach fand eine Expertendiskussion statt. Zu der Diskussionsrunde wurden die leitenden Forscher der Strategischen Forschungen der Akademie, die Institutsleiter und für Minderheitenfragen zuständige ungarische EU-Parlamentsabgeordnete eingeladen. Im Rahmen des Treffens wurde zu den folgenden Thesen eine Vereinbarung getroffen.
1. Über die nationalpolitischen Grundlagen. Sowohl der ungarische Staat als auch die politischen Organisationen der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen Minderheit sollen sich auch weiterhin der Idee der Erhaltung der ethnischen-nationalen Vielfalt und der Modernisierung des europäischen Kontinents verbunden zeigen. In unserer Zeit sind es in erster Linie der Staat bzw. die jeweilige national orientierte politische Organisation in den Nachbarländern, die die Aufrechterhaltung dieser Vielfalt gewährleisten. Aus diesem Grund ist es weiterhin die vorrangige Aufgabe der politischen Organisationen der ungarischen Minderheiten – aber ebenso Aufgabe des ungarischen Staates – die gemeinschaftlichen Interessen der Minderheiten geltend zu machen und die nationale, auf das Sitten- und Traditionssystem bezogene Identität der Ungarn zu verstärken.
2. Anpassung an die Struktur der Parteien in der Europäischen Union. In unseren Augen ist es erforderlich, dass wir bei der Neugestaltung der Programme der über den Grenzen hinaus bestehenden politischen Organisationen auf die politische Einrichtung der weiteren Heimat, der Europäischen Union, achten. Wir betrachten solche ungarischen politischen Organisationen als wünschenswert, in denen sowohl die nationalen als auch die weltanschaulichen-sozialen Identitäten nebeneinander existieren können.
3. Bestrebung zur Aufhebung der Traditionen der nationalen Feindseligkeit. In unseren Augen sind in der Geschichte der ostmitteleuropäischen Völker die gemeinsamen Interessen stärker präsent als die gegensätzlichen Interessen. Wir halten es für wünschenswert, dass das Ungarntum der Region dieses Aufeinanderangewiesenheit formuliert und die Kooperation initiiert und anregt.
4. Regionale Fachpolitiken im neuen Programm. Zu einem halten wir es für wünschenswert, dass bei den wissenschaftsorientierten ungarischen strategischen Plänen – sowohl zur Naturbewirtschaftung als auch zur Kultur, Verkehr, Informatik usw. – mit der Kooperation der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen politischen und intellektuellen Elite gerechnet werden soll. Und wir halten es für wünschenswert, dass die politischen Parteien der ungarischen Minderheiten die fachpolitischen Aktivitäten in ihre neuen Programme aufnehmen. Neben der Interessenvertretung der Minderheiten, den weltanschaulichen Aspekten bei der Betreibung der europäischen Politik sollen ebenfalls den die Modernisierung der gesamten ostmitteleuropäischen Region anzielenden fachpolitischen Aspekten Platz eingeräumt werden. Das Ungarntum der Region soll zum Motor der Planung und Implementierung der regionalen, die Modernisierung anzielenden, strategischen Programme werden. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Grenzen.
5. Neue Thematiken, neue Bereitschaft in der politischen Praxis. Es muss ein neues Bündnis zwischen den Intellektuellen der Parteien und der Fachzweige geschlossen werden. Es muss zur Kenntnis genommen werden: Die Fachpolitik bildet einen Bestandteil der Nationspolitik. Die ungarischen Politiker der Nachbarländer haben unter anderem durch die Erfüllung von verantwortungsvollen Positionen in den einzelnen Fachbereichen der ungarischen Minderheit respektvolle Anerkennung von Seiten der Mehrheitsgesellschaften erkämpft. Es bedarf einer stärkeren Bereitschaft zum Dialog, sowohl innerhalb den eigenen Gesellschaften als auch mit den Politikern und Intellektuellen der Mehrheitsnation. Die über den Grenzen hinaus lebenden Ungarn können zur gleichen Zeit Mitglieder der grenzüberschreitenden ungarischen Kulturnation und treue Bürger ihres Heimatlandes sein.
6. Über die Möglichkeiten des ungarischen Staates. Die im Interesse der in den Nachbarländern lebenden ungarischen Minderheiten geführte politische Aktivität des ungarischen Staates haben wir stets gewürdigt und halten diese weiterhin für wichtig. Wir meinen, dass in der nach 2007 entstandenen Situation die Aufzählung des Inventars und der Institutionen der ungarisch-ungarischen politischen Beziehungen zur Förderung der Politikbetreibung neuen Stils erforderlich erscheint. Wir meinen, dass im Bereich der ungarisch-ungarischen Politik beide der folgenden Bestrebungen gleichzeitig präsent sein müssen: Die Gewährleistung der sozialen Chancengleichheit und die Verstärkung der Bindung im emotionalen-bewusstseinsbezogenen Bereich.
7. Über die Möglichkeit eines Aktionsprogramms. Im Rahmen des Budapester Treffens wurde eine Vereinbarung zur Aufstellung von fachpolitischen strategischen Planungs-gremien zu konkreten Themenkreisen getroffen. In diese Körperschaften sollen die Fachexperten der in den 8 Staaten lebenden ungarischen Gemeinschaften eingeladen werden. Diese Gremien können nach Erstellung einer Bestandsaufnahme konkrete Aktionsprogramme formulieren, sowohl für die ungarische Regierung, das Parlament als auch für die über den Grenzen hinaus bestehenden politischen Organisationen. Bis zum 15. September werden vier strategische fachpolitische Planungsgremien aufgestellt. Diese sind die Folgenden:
 
  • Kulturpolitik (Bildungsinstitutionssystem und Kataster des kulturellen Erbes)
  • Natur- und Wasserbewirtschaftung (Klimawandel, Agrarwesen und Wasserbewirt-schaftung, Donau-Programm)
  • Regionalentwicklung (Grenzregionen und Entwicklung des ländlichen Raumes)
  • Räumliche Verfügbarkeit, Infrastruktur (Verkehrswesen, Informatik)
  • Menschen- und Minderheitenrechte in Europa
Die Vorbereitung der Programme wird von dem Programmkomitee der Strategischen Forschungen der UAW koordiniert.
 
Pál Csáky                    Ferenc Glatz                Béla Markó                 István Pásztor
 
Budapest, den 8. Juli 2008